Das Geheimnis von Glück und Zufriedenheit
Ich hatte gestern noch eine halbe Stunde zu überbrücken und fand mich alsbald im nächsten Buchladen wieder. Oasen des Friedens in diesen Zeiten. Nach einigem Stöbern griff ich zu einem Buch mit folgendem Klappentext:
"Das Geheimnis von Glück und Zufriedenheit liegt im Umgang mit anderen."
Gekauft - nachdem ich mit Wonne und Wehmut tief ein- und wieder ausgeatmet hatte. Kurz bevor das Buch in meine Hände gelangt war, hatte ich für einen Augenblick das Empfinden, als Mensch ausgeschlossen und nicht mehr zugehörig sein zu dürfen. Ich spürte dabei, wie eng sich mein Herz in dem Moment zuzog. Zugehörigkeit als eines unserer tiefsten Grundbedürfnisse erfährt derzeit eine heftige Prüfung. Der Schmerz über ihren Mangel ging tief und mir kamen die Tränen über uns Menschen, die wir - wann und wodurch auch immer in unserem Leben - davon betroffen sind. Es war eine bewegende körperliche wie emotionale Erfahrung.
Liebe als die stärkste Kraft
Die Zeilen des Klappentextes gingen noch weiter: "Wer anderen Menschen eine Freude macht und danach trachtet, dass es ihnen nur gut geht, hat das Wesentliche des Lebens gefunden. Es ist das Gesetz der Liebe."
Der Liebe in dieser Zeit nicht abtrünnig zu werden, ist eine wahrhaft meisterliche Aufgabe. Ich stelle mich ihr in kleinen Schritten. Heute im Zug schaute ich auf die Menschen auf den Bahnsteigen und spürte, wie es einen Teil in mir gab, der sich mit besten Willen nicht vorstellen konnte, sie in ihrer Begrenztheit und Kleinmütigkeit in mein Herz zu schließen. Vielleicht was für Mutter Theresa, aber sicher nicht für mich.
Und dann gab es da diesen anderen Teil. Der sich an einen Spruch auf einem T-Shirt erinnerte, über den ich nach Monaten noch lachen kann.
"Alles, was existiert, ist Geist. Da ist niemand."
So hatte er gelautet und in breiten Lettern den runden Bauch eines Therapeuten geziert. In unserer westlichen Materialgesellschaft ist derzeit wenig Platz für die Vorstellung, wir wären mehr als Körper, Fleisch und elektromagnetische Wellen. Wenn wir Glück haben, dürfen sich die Gefühle noch dazu gesellen, sind aber nur Ausdruck unseres limbischen Systems und damit auch eben wieder Fleisch. Die Metaphysik als Ausdruck der hinter dem Sichtbaren seienden Welt wurde nach der Ablöse der Kirche durch die Wissenschaft in den Raum von Phantasterei, Aberglauben und Dogma verbannt.
Seitdem findet das Geistig-Spirituelle und damit ein Bewusstein einer göttlichen Allverbundenheit mit allem und allen erst langsam seinen Weg in unser Alltagsdenken.
Wenn ich diesem Spruch jedoch in seiner Radikalität folge, erlaube ich mir, die Verbundenheit zu allen Wesen, Mensch wie Tier wie Pflanze, als Möglichkeit zu erachten. Ich erlaube mir, die Trennung, die mein Denken vornimmt - ich hier, du da - aufzuheben und zu spüren, wie nah mir der Andere plötzlich wird. Wenn wir beide ein jeweils individueller Ausdruck des EINEN Geistes sind, dann ist da tatsächlich niemand, der nicht ich ist.
Dieser Impuls bahnte sich seinen Weg, während ich auf die Menschen draußen auf den Gleisen schaute. Ich ließ ihn gewähren, aus lauter Neugier und weil ich weder die Trennung noch die Allverbundenheit widerlegen kann. Wie auch sonst niemand.
Beim Zulassen des Impulses tat sich nicht viel. Keine Fluten von überströmender Liebe, kein sich bis an den Rand des Universum ausdehnendes Herz. Ich war immer noch hier, die anderen dort. Nur das leise Wahrnehmen eines Möglichkeitsraumes, die zögerliche Annäherung an ein umfassendes, vereinendes Bewusstsein.
Jetzt im Schreiben kommt mir, dass es vielleicht um genau diese Erfahrung ging: den Kopf nicht dazwischen grätschen zu lassen, sondern sich selbst alle Offenheit zu gönnen, dass diese Verbundenheit entstehen darf.
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