Integrale Gewaltfreie Kommunikation - die notwendige Weiterentwicklung von GFK
Die Gewaltfreie Kommunikation hat es mir schon lange angetan. Sie lehrte mich, meine eigenen Bedürfnisse zu erkunden - auch die Verschütteten - sowie verdrängte Gefühle wie Wut wieder in mein Leben zu holen. Als Tor zu mir selbst war und bleibt sie von größter Bedeutung und ich spüre mit jedem Seminar, wie verändernd sie für die Beziehungen der Menschen ist - zueinander wie zu sich selbst.
Vor einigen Jahren trat die Integrale Theorie von Ken Wilber dazu in mein Leben. Sie hat um all die Millionen Dinge und Geschehnisse in der Welt einen Rahmen gespannt und liefert mir seitdem eine Landkarte dafür, wie Menschen & Systeme sich entwickeln, wohin und vor allem: wozu. Die einzelnen Bestandteile von ihr bilden 1) die 4 Quadranten als ausgewogen-ganzheitliche Betrachtung von Systemen, Organisationen oder Ereignissen, 2) die Bewusstseinsebenen und 3) -linien, die zeigen, wo ein Mensch in seiner Entwicklung steht und wie er folglich die Welt versteht. Dazu kommen 4) die Typen wie Yin & Yang und die 5) Zustände menschlichen Bewusstseins (hier wird es ausführlicher >>)
Eine der wichtigsten Änderungen durch die Integrale Theorie war und bleibt die Gelassenheit, die sie in mein Leben holte. Die innere Ruhe mit Blick auf Zukünftiges. Im Kern stimmt sie mich vertrauensvoll, da sie anzeigt, dass die Richtung der Evolution mit all ihren Brüchen und Regressionen stets nur eine Richtung kennt: hin zu immer mehr Liebe und Bewusstheit im Kosmos.
In Verbindung mit der Gewaltfreien Kommunikation wurde mir plötzlich klar, weshalb GFK nicht gleich GFK ist und es so große Unterschiede in ihrer Vermittlung gibt. In einigen Kontexten begegnete sie mir schlicht als eines unter vielen Werkzeugen der Konfliktvermittlung. In anderen habe ich sie als grundsätzliche Haltung und Menschenbild erlebt. Im schlechtesten Fall wurde sie genutzt, um die eigenen Bedürfnisse ohne Rücksicht auf Verluste durchzudrücken. Der Wolf im Schafspelz sozusagen.
Mir wurde sie als Haltung wesentlich, die unser ganzes Menschsein bejaht, was gleichzeitig bedeutet, die GFK als einen nie endenden Prozess im Leben zu begreifen.
Das kann mit Liebe und Geduld geschehen oder als impliziter, hehrer Anspruch verstanden werden. Letzteres hat Begegnungen zwischen gewaltfrei Praktizierenden mitunter sehr belastend gemacht. Ich erinnere Runden, in denen mit größter Sorgfalt die eigenen Gefühle und Bedürfnisse benannt wurden, um "gewaltfrei" zu bleiben. Trat ein Konflikt auf, wurde viel Beharrlichkeit darauf gesetzt, den Kern des Konflikts aus dem Weg zu räumen und wieder in die Verbindung zu kommen. Hier fühlte sich die GFK plötzlich eng an, war sie doch mit einmal dazu verdonnert, als "richtiger" Weg für eine Lösung zu sorgen. Verbindung wurde regelrecht zum Dogma.
Die Integralen Bewusstseinsebenen erklären diese Fixierung: in der postmodernen Bewusstseinsebene erhält die Beziehung zu sich selbst sowie zu anderen besondere Priorität im Leben. Die unerfüllten Versprechungen der Moderne und rationalen Ebene hinter sich gelassen, sucht der Mensch, hier angekommen, das Heil von Seele und Welt. Er strebt nach globaler Gerechtigkeit und Frieden, geht auf tiefe Sinnsuche und nimmt dazu Kontakt zu spirituellen Wegen auf. Die Gemeinschaft erhält hohe Wertigkeit, da ich mich im Miteinander neu spüren und anbinden kann. Das subtile Wir erwacht.
Entwickelt der Mensch sich hin zur postmodernen Stufe, taucht dies sein Leben in gänzlich neue Sinnzusammenhänge. Was einst wichtig war im Leben, wird als hohl und unbefriedigend erlebt. Gesellschaftlich haben wir diesen Sprung bereits zur Zeit der 68er gemacht, was viel von dem erklärt, womit wir heute zu tun haben: der Trend zur Nachhaltigkeit, Veganismus, das Gendern für die Gleichstellung von Mann, Frau & non-binären Geschlechtern, Achtsamkeit und Yoga als Mainstream-Pop sowie die Umkrempelung der Arbeit hin zu Agilität und Selbstorganisation. Dies alles ist "grün" pur, wenn wir Bezeichnung des Entwicklungsmodells Spiral Dynamics nehmen.
Mit Blick auf die GFK und die erlebten Probleme brachte die Integrale Theorie hellstes Licht ins Dunkel. In unserem Bemühen, den Konflikt mit aller Kraft möglichst "gewaltfrei" zu lösen, stagnierten wir in unserer postmodernen Bewusstseinsebene, der "grünen" GFK. Durch die Grenzen, die wir dabei erlebt haben, wurde deutlich, dass sich die Bewusstseinsspirale bereits weiter nach oben geschraubt hatte und nach neueren Formen GFK zu leben, rief. Dies war der Zeitpunkt, an dem ich die Integrale GFK entdeckte. Sie stellt für mich die angemessene Weiterentwicklung der heutigen Gewaltfreien Kommunikation dar.
Integrale GFK ist darauf ausgerichtet, Klarheit zu schaffen. Klarheit als Voraussetzung für den nächsten Schritt in der Gestaltung des Miteinanders. Dies schließt Verbindung ebenso wie Distanz und Trennung ein. Konflikte werden hier als lebensnotwendiger Entwicklungsschub gesehen und daher rehabilitiert. Ein Fortschritt in Richtung Anerkennung der Realität, denn: das Leben schwingt permanent hin und her, es gibt immer beides: Nähe und Distanz, Kontakt und Rückzug. Yin und Yang, das Spannungsfeld zweier Pole.
In diesem Sinne transzendiert sie den Wunsch nach unbedingter Verbindung hin zu mehr Möglichkeiten des Zusammenlebens. Der Schmerz über potentiellen Kontaktabbruch wird dabei nicht vermieden. Vielmehr dient er als Katalysator für innere Reifung, bei der Ängste verwandelt und Projektionen aufgelöst werden können.
Integrale GFK bedeutet daher auch, sich der eigenen Bewusstseinsebenen in der individuellen Entwicklung bewusst zu werden mit dem Ziel, der gesunden Integration dessen, was Menschwerdung ausmacht. Bin ich im Kontakt mit meiner Wut, Durchsetzungskraft und Vitalität? Kann ich Struktur und Ordnung halten und gelingt es mir, die schönen Seiten von Pflicht und Disziplin zu sehen? Nutze ich die eigene Ratio, um der eigenen Intuition und inneren Weisheit zur Verwirklichung zu helfen? Spüre ich meinen Körper mit seinen Bedürfnissen und Grenzen? Viele solcher Fragen lassen sich unter Betrachtung der Bewusstseinsebenen reflektieren, um ein ganzer, ein herzenskluger Mensch zu werden.
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