Je stiller du wirst, desto mehr erfährst du
In unserer überfrachteten, viel zu schnellen Welt halten wir kaum noch inne. Wann hast du das letzte Mal nur aus dem Fenster geschaut? Oder in den Himmel? Wann hast du dir bewusst vorgenommen, einmal GAR NICHTS zu tun und das auch durchgezogen?
Sie sind selten bis hin zu passé geworden: Zeiten des absoluten Nichtstuns. Solche, in denen wir einfach nur still sind und nicht schon die nächste Aktivität planen. Ich habe es kürzlich mal versucht: das bloße Stillsein. Nicht in Form von Meditation, mittels derer ich auch nur allzu oft irgendwohin will statt einfach nur zu sein.
Stattdessen habe ich mir zu Hause einen gemütlichen Platz eingerichtet, Kerzen entzündet und lag oder saß einfach nur da. Der Blick fiel durchs Fenster oder wanderte unaufgeregt im Zimmer umher. Computer und Handy befanden außerhalb der Reichweite, ebenso die Bücher. Die einzigen Tätigkeiten bestanden im Tagebuchschreiben oder Malen.
Je länger ich so dasaß, desto stiller wurde es in mir. Das Tempo der Gedanken nahm ab, die Impulse, die nach Aktivität riefen, wurden stündlich weniger. Das ganze System fuhr Stück für Stück runter.
Nun ist dieser Zustand an sich schon schön, erlaubt er es uns doch, uns nach allzu heftiger Beschäftigung zu regenerieren und die Reserven aufzutanken. Wir kennen den Effekt aus Urlaubszeiten: hat frau/man sich mal so richtig mehrere Tage oder gar Wochen am Stück dem Faulsein hingegeben, fühlen wir uns zum Schluss oft wie neugeboren. Zwischendrin fragt man sich, wie man sich die ganze Zeit so verrückt im Rad drehen konnte! Sind wir einmal so richtig im Aktivitätsmodus, fällt kaum noch auf, wie überlastet der Körper vom ständigen Tun ist.
Immerhin rennen doch auch alle anderen wie irre umher! In unserer strebsamen Leistungsgesellschaft entkommt man dem Dogma des Machens oft nur mit dem Stempel der Minderwertigkeit. Und wertlos wollen wir alle nun wirklich nicht sein. Also raffen wir die Schultern noch ein bisschen höher und springen kopfüber ins Kalendergeschwader. Selbst schuld, wer da nicht mithält.
Nachdem ich derart runtergefahren war, dass nach dem Schlafen gleich das Ausruhen kam, bemerkte ich etwas Besonderes. In mir tat sich eine reiche Welt auf. Sie entfaltete sich allmählich und alles, was ich zu tun hatte, war nichts. Wahrnehmen, Erleben, Sein - die Zutaten für ultimative Erkenntnis. Denn die Welt, die sich in mir zeigte, war voll von Inspirationen, Eingebungen und klarsten Visionen! Ich spürte plötzlich ganz deutlich, wofür mein Herz am meisten schlug. Mein Weg in dieser Welt offenbarte sich mit solch durchdringender Klarheit, dass ich nicht umhin konnte, mich zu fragen, weshalb ich ihn nicht schon längst gesehen hatte! Es fiel mir wie Schuppen von den Augen und ich erkannte, was nicht mehr zu mir passt; neue Weggabelungen wurden sichtbar und mein Ruf in dieser Welt deutlich und unüberhörbar.
Auch auf den Verdacht hin, dass sich die Schilderungen allzu mystisch anhören: das, was mein Inneres in diesem Moment offenbarte, war überaus real im Sinne von praktisch. Klare Ansagen mit sichtbaren Wegweisern für meine nächsten Schritte.
Erfahrungen dieser Art machen wir im Rückzug auf Retreats, bei längeren Meditationen oder in intensiver Begegnung mit der Natur. Sie sind nicht neu und zeigen uns immer wieder: tief in uns selbst wissen wir genau, wohin es uns zieht und was das Leben von uns möchte. Wir finden Lösungen für die komplexesten Probleme, erhalten Eingebungen, die wir im Alltag niemals vernommen hätten und erleben Ausrichtung und Neuorientierung. WENN wir still werden. Erst dann kann an die Oberfläche dringen, was schon immer da war und bisher nicht von uns gehört wurde. Diese Art von Klarheit ist umwerfend und manchmal angsteinflößend, fordert sie uns doch unnachgiebig auf, ihr zu folgen. Manchmal zieht sie Veränderungen in unserem Leben mit sich, die sich im ersten Moment anstrengend anfühlen und unsere Komfortzone durchbrechen.
Gleichzeitig können wir mit dem, was uns die Stille zeigt, uns selbst und dem, was wir im Herzen haben, näher kommen. Sie macht uns das große Geschenk klar zu sehen, was uns das geschäftige Treiben, die dauernde Beschäftigung verstellt.
Seit meinen Tagen des absoluten Nichtstuns setze ich das, was ich erkannt habe, Stück für Stück um. So entstand die Forschungsgruppe zum weiblichen Zyklus und so wird noch vielen anderen Ideen Leben eingehaucht. Ideen, die mir entsprechen und mich im Herzen erfüllen.
Daher: viel Freude im stillen Sein!
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