Wenn Mitarbeiter zum Spielball werden - und wie Gewaltfreie Kommunikation hilft
Heute im Seminar „Einführung in die Gewaltfreie Kommunikation": wir setzen uns mit dem Anliegen einer Teilnehmerin auseinander. Ihr wurde mehrmalig ihr Wunsch nach einer Fortbildung abgelehnt. Ihre Teamleitung hatte das „Go“ gegeben, doch deren Bereichsleiterin sagte wiederholt ‚nein‘. Gründe: nicht arbeitsrelevant. Rein faktisch könnte man die Geschichte so stehen lassen.
Unsere Teilnehmerin schildert jedoch weiter:
Das Team wurde einst gesplittet. Die beiden Teamleiterinnen waren hierarchisch ebenbürtig, bis eine von ihnen Vorgesetzte der anderen wurde. Seitdem besteht ein ständiges Tauziehen. Von kollegialer Vertrauensebene keine Spur. Es wird deutlich: was sich da entsponnen hat, wird als Machtkampf über den Köpfen der Mitarbeiter ausgetragen. So auch die Ablehnung der Fortbildungen. Dabei behandeln sie inhaltliche Themen, die die Abteilungen auf dem neusten Stand halten würden.
Die Teilnehmerin sieht sich als Spielball. Sie ist entrüstet, wütend, ärgerlich, enttäuscht und hilflos. Wir verwenden ihre Situation, um ihr mit Hilfe der GFK mehr Klarheit für ihren nächsten Schritt zu verschaffen. Nachdem sie die Situation geschildert hat, sind wir bei ihren Gefühlen angelangt. Sie hatte zuvor viele aufgeschrieben. Beim Erzählen wird deutlich, wie wichtig ihr das Bedürfnis nach Entwicklung ist. Es trifft sie hart, Opfer der Machtspielchen der beiden Leitungskräfte zu sein.
Während ich ihr zuhöre, spüre ich ihre Verletztheit und benenne das Gefühl. Es geht sofort in Resonanz und sie bricht in Tränen aus. Aha, denke ich. Ein weiteres Beispiel, wie menschliche Würde missachtet und verletzt wird. Egal ob unwissentlich oder bewusst, sie badet aus, was zwischen den beiden Leitungskräften schief läuft.
Wir machen ihr dies bewusst und ihr gleichzeitig Mut. Sie bekommt ihre Ressourcen in den Rücken gestellt. Damit ausgestattet lasse ich sie auf eine ihrer Konfliktpartnerinnen, die Bereichsleiterin, schauen. Es ist neu für sie, auf diese Weise für sich einzustehen, indem sie sie direkt konfrontiert. Sie spürt: so lasse ich mich nicht mehr behandeln. Eure Themen sind eure Themen und die klärt ihr bitte, ohne mich da reinzuziehen.
Vielleicht wird es am Ende ein neuer Job, vielleicht ein Gespräch mit ihrer Teamleitung oder der Bereichsleitung - im Kern hat das Bewusstsein der eigenen Verletztheit, ausgelöst durch die Grenzüberschreitung, dazu geführt, dass unsere Teilnehmerin entschieden Handlungsbedarf erkannt hat. Und die Entschlossenheit, für sich selbst einzustehen.
Ich nutze dieses Beispiel, um deutlich zu machen, wie hilfreich die GFK im Alltag ist, wenn es darum geht, Werte wie Ehrlichkeit, Würde, Authentizität und Respekt zu leben. Dabei sind unsere Gefühle ein maßgeblicher Schlüssel, um zu erkennen, wann einer dieser Werte verletzt wird. Ärgert uns das Verhalten eines anderen über einen längeren Zeitraum, ist das meist ein gutes Indiz dafür, der Spur nachzugehen. Wir werden dabei oft fündig, Ungerechtigkeiten aufzudecken, die das soziale Miteinander nachhaltig beeinträchtigen.
Hier haben wir mit der GFK ein großartiges Kommunikationswerkzeug, die Situationen anzusprechen, die zu Missstimmungen und Unverhältnismäßigkeiten führen.
Wenn wir es nicht tun und stattdessen den Mantel des Schweigens ausbreiten, führt dies zu Verletzungen. Manche von diesen können nachhaltig das Betriebsklima stören und sorgen für Frust, Demotivation, Rachehandlungen und im schlimmsten Fall psychosomatische Krankheiten.
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