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Caroline Winning

Wie wir bei hitzigen Gesprächen wieder zueinander finden

Ein Gespräch wie so viele heutzutage; es geht um politische Ansichten. Die fehlende Übereinstimmung wird im Gesprächsverlauf immer deutlicher, langsam schwellen die Emotionen an. Auf ein Argument folgt ein Gegenargument, nicht immer faktenbasiert, manches gründet auf Erfahrung oder Annahme, wie auch so oft in Polit-Talks. Die Anekdote übernimmt, während sich der Fakt trollt. Das Gespräch liefert ein Paradebeispiel dafür, wie wir es schaffen, uns in gegensätzliche Positionen einzumauern. Das erklärte Ziel der Gesprächspartner: Recht behalten, besser da stehen als das Gegenüber, keine Meile an Boden verlieren. Und dazu auf jeden Fall die eigene Weltsicht behalten, um jeden Preis!

Im Feuer der Argumente fahren wir unsere archaischen Reaktionsmuster auf: wir schießen zurück, um doch noch einen Treffer zu landen, wir flüchten in andere Themenfelder oder verstummen, weil wir vor lauter Beschuss nichts mehr zu erwidern wissen. Das demokratische Prinzip des Zuhörens, Erkundens mittels Fragen & des besonnenen Abwägens der inhaltlichen Tragweite von Argumenten, ohne in die reflexartige Gegenwehr zu gehen, nimmt dagegen heutzutage immer weniger Raum in Debatten ein. Es geht um den Showeffekt der Schlagfertigkeit, um die öffentliche Bloßstellung, ebenso wie um die Zementierung fragiler Egos. Allesamt Spielarten, den eigenen Selbstwert über den des Gegenübers zu stellen und sich daran zu laben.

Wer Recht hat, gewinnt!

Mit diesem reaktionären, instinktivem Verhalten kommen wir an die Grenze. Es mag unser Ego auf Kosten der Beziehung zu anderen schützen, ist jedoch damit für die Gespaltenheit unserer Zeit wenig hilfreich. Doch im Grunde ist die Polarisierung einhergehend mit vorschnellen Urteilen und Ausgrenzungen nicht verwunderlich, wenn wir auf das allgemeine Stresslevel unserer Gesellschaft schauen. In einem überhohen Maß zeigt sich eine Erregung unseres kollektiven Nervensystems, angefacht durch Termindruck, Informationsflut und die auf den nächsten Dopaminkick ausgerichtete SocialMedia-Blase. Dazu kommen Verlustängste, verstärkt durch ein dichtes globales Netz an Bildern und Ereignissen wie Kriege oder Pandemien. Bis zum Zerreißen gespannt sind wir allesamt reizempfindlicher und triggerangfälliger geworden. In solchen Zuständen muss das eigene Ich besonders geschützt werden, schwimmen ihm doch zunehmend die Felle davon, sich in dieser rasant verändernden Welt stabil & sicher zu fühlen.

Wir waren in unserem Gespräch dadurch an einem Punkt angelangt, an dem dem frustrierten Auseinanderdriften eigentlich nichts mehr im Wege stand. Der Notnagel wäre der allseits auflockernde Humor oder ein Themenwechsel gewesen, wie so oft, wenn man merkt: hier kommen wir nicht zusammen.

Stattdessen trat einer der Gesprächspartner aus den reaktiven Mustern heraus. Er richtete seine Aufmerksamkeit vielmehr auf sein Innenleben, die Emotionen, die das erregte Gespräch in ihm ausgelöst hatte und sprach darüber, wie sehr ihn die Ansichten akut in die Überforderung brachte. Die Hand auf der Brust zeigte er den Druck, der sich in ihm währenddessen dort breit gemacht hatte. Durch seine Ich-Aussage entwickelte die Diskussion augenblicklich eine gänzlich andere Atmosphäre: da, wo eben noch Hitzigkeit und Trennung geherrscht hatten, entstand plötzlich ein Raum der Verletzlichkeit & Berührbarkeit. In diesem Erleben konnte seine eben noch oppositionelle Gesprächspartnerin auf ihn zugehen und ihre Berührtheit und Verständnis ausdrücken, welches die Gefühlsschilderung bei ihr ausgelöst hatte.

Brücken bauen statt Wände einreißen

Auf diese Weise konnten beide Positionen nebeneinander stehen bleiben und der eben noch geführte Kampf ums Recht fand jäh sein Ende. Plötzlich sprachen wir darüber, wie es wäre, sich in Debatten ehrlich über die eigene emotionale Reaktion mitzuteilen statt kräftezehrenden Schlagabtausch zu führen. Gefühle wie Ohnmacht, Wut, Überforderung, Resignation, Zuversicht oder Angst könnten eine Brücke schaffen, die uns vom Gegen- zum Miteinander hinführen würden. Plötzlich ginge es weniger darum, den Anderen vom eigenen Standpunkt zu überzeugen - was, wie wir mittlerweile wissen, mit sachlichen Argumenten eh nicht zu erreichen ist. Vielmehr würde sich eine Gesprächskultur entwickeln, die uns mit uns selbst und unserem Gegenüber verbindet und zwar über das transparente Mitteilen dessen, was unser Herz zutiefst bewegt. Es ist an dieser Stelle nicht gesagt, dass dies ein Garant für bessere Gespräche ist. Dennoch wird durch Gesprächspraktiken wie bspw. der Gewaltfreien oder Transparenten Kommunikation deutlich, wie klärend und verbindend es ist, über die eigenen Gefühle & Bedürfnisse zu sprechen statt auf dem Schlachtfeld der Argumente zu bleiben. Auf den Versuch kommt es - beim nächsten kontroversen Gespräch - allemal an. Es kann nur verbindender werden!


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